Aston Martin - das "Making of"


IAA 1985 - mein erster Aston Martin "live": V8 Volante - das "Show Car"
IAA 1985 - mein erster Aston Martin "live": V8 Volante - das "Show Car"

Noch weit davon entfernt, auch nur ansatzweise an so etwas wie ein Buch zu denken, besuchte ich 1985 als 15-jähriger zum ersten Mal eine IAA in Frankfurt, auf der ich ebenfalls zum ersten Mal einen Aston Martin fotografierte. Fast genau 12 Jahre später lichtete ich - bereits mitten in den Recherchen zu “Die Aston Martin Lagonda Ltd. in Newport Pagnell” - auf einem Treffen des Aston-Martin-Owners-Club in England einen silbernen V8-Volante ab - ohne zu diesem Zeitpunkt zu wissen, dass genau dieser Wagen das spezielle “Show Car” 1985 auf der IAA war. Dies fand ich erst später aufgrund von Recherchen über das Nummernschild heraus. Ein Zeichen? Ein Wink des Schicksals? Wie auch immer, letztlich schloss sich so ein Kreis und das bewusste Foto fand Eingang in mein Buch.

Doch wie kam es letztlich dazu? Anfang 1995 teilte mir mein damaliger Ausbildungsbetrieb mit, dass ich infolge Personalabbaus nicht übernommen werde konnte. Damit war nachfolgend mehr Freizeit als gewollt vorhanden, die ich aber sinnvoll gestalten wollte. Doch Hände in den Schoß legen ist nicht meine Sache, daher beschloss etwas zu tun, was all meine Interessensgebiete miteinander verbinden sollte: Ein Buch über Aston Martin! Eigentlich wollte ich zu dieser Zeit nur die faszinierende Handarbeit der V8-Produktion dokumentieren. Doch ohne die Vorgeschichte der Aston Martin Lagonda Ltd. in Newport Pagnell und die Entstehung des Namens “Aston-Martin" unter Bamford & Martin 1915 in London würde das Buch nur eine halbe Geschichte ohne Anfang darstellen. Dies war die Ausgangssituation, in der ich letztlich beschloss, DIE deutschsprachige Chronik Aston Martins zu schaffen, welche ich mit der Gründung des Kutschen- und späteren Karosseriebauers “Salmons & Sons” im Jahre 1820 in Newport Pagnell beginnen ließ, in dessen Hallen Aston Martin 1954 nach der Übernahme einzog.

Drei Jahre dauerten die eigentlichen Recherchen, für die ich mehrfach nach Grossbritannien schipperte. Ich führte zahllose Interviews mit aktiven und pensionierten Mitarbeitern Aston Martins, besuchte mehrere Treffen und das Archiv des extrem hilfreichen Aston-Martin-Owners-Club, machte über 1500 Fotos in der V8-Produktion von Newport Pagnell und durchforschte etliche namhafte Bildarchive. Dabei drang ich immer tiefer in die Geschichte dieser kleinen, tapferen Automobilmanufaktur ein, die mich zunehmend fesselte und in ihren Bann zog. Wäre Aston Martin aus Gründen des Profits nach den traditionellen Regeln eines “normalen” Unternehmens geführt worden - die Firma hätte kein Jahrzehnt überlebt. Aber es gab gottlob immer zum richtigen Zeitpunkt Enthusiasten, bei denen der Profit eben nicht an erster Stelle stand und die andere Werte repräsentieren, als es der Zeitgeist und die wirtschaftlichen Zwänge meinten vorschreiben zu müssen. Diese wahren Enthusiasten, wie Englands “Traktorenkönig” Sir David Brown, der Aston Martin durch die Übernahme 1947 ein goldenes Zeitalter bescherte, haben mich zutiefst fasziniert und manchmal auch sehr bewegt. Ebenso die Ingenieurleistungen, die Handwerkskünste, die Motorsporterfolge und der gesamte Überlebenskampf der Aston Martin Lagonda Limited. Bei allem Enthusiasmus versuchte ich dennoch stets die kritische (journalistische) Distanz zu wahren.

"Happy End" nach vier Jahren. Foto: Volker Schäfer
"Happy End" nach vier Jahren. Foto: Volker Schäfer

Ein Projekt diesen Aufwandes geht seltenst geschmeidig über die Bühne. Einen ähnlichen Kampf focht ich mit meinem Buch aus, bei dem der Erscheinungstermin aus zahllosen Gründen immer wieder verschoben werden musste. Die Odyssee der Entstehung mit ihren tausend kleinen Geschichten und Anekdoten beinhaltet Stoff genug für ein eigenes Buch. Allen Widrigkeiten zum Trotz, hielt ich am 3. August 1999 schlussendlich den ersten handgebundenen Prototypen meines Buches mit den noch streng nach Druckfarbe riechenden Seiten in Händen. Davor lag eine Zeit, die alle Höhen und Tiefen des Lebens beinhaltete: Von der Freude über den Fund eines einzigartigen, noch nie gesehenen Fotos, bis hin zur völligen Frustration, wenn bei einer mir wichtigen Thematik keine plausiblen Fakten und Bilder zu recherchieren waren. (Denn es war ja noch die “analoge” Zeit der Briefpost, vor dem Durchbruch des Internets.) Es musste sogar, aufgrund eines Copyrightproblems mit einem Foto (eine private Aufnahme mit Sean Connery am einem DB7, die versehentlich für ein offizielles Pressebild gehalten und ins Buch aufgenommen wurde), ein kompletter Bogen mit einem Ersatzbild nachgedruckt werden, während die bereits bedruckten 2.400 Bögen ins Altpapier wanderten. Ja, hier schuf Leidenschaft wirklich Leiden, und es gab Momente, wo ich kein Licht am Ende des Tunnels mehr sah und am liebsten alles hinwerfen wollte. Doch ab einem Punkt gibt es einfach kein Zurück mehr, zumal ich durch die Recherchen auch viele interessante Menschen und mitreissende Aston-Enthusiasten kennen lernen durfte. Wann bekommt man auch schon mal die Gelegenheit, eine Spritztour mit dem originalen DB5 aus “James Bond 007 -  GoldenEye” machen zu können und sich dabei wie Pierce Brosnan zu fühlen?!

Leder-Edition
Leder-Edition

Für mein Projekt gründete ich zusammen mit meinem Vater einen Verlag, um meine ureigene Vorstellung von einem besonderen Automobilbuch zu verwirklichen. Kein “normaler” Verlag hätte die enormen Kosten übernommen und diesen immensen Produktionsaufwand betrieben: In Anlehnung an Aston Martin, richtete ich mein Werk kompromisslos auf Qualität und Exklusivität hin aus. Es war kein mit technischen Details überfrachtetes Werk geplant, sondern ein informatives und gleichzeitig unterhaltsames Lese-/Bilderbuch für Automobil-Enthusiasten mit einem Sinn für schöne Bücher. Bei der Gestaltung und Produktion wurde aus diesem Grund an nichts gespart, was an Papier und Druck gut und schön ist. So wurden die Abbildungen für eine höhere Brillanz mit einem speziellem Drucklack überzogen. Auch wollte ich einen Schmuckschuber für eine schonende Aufbewahrung - für den ich eigens ein Ölgemälde des Malers Keith Woodcock anfertigen ließ, um die Vorderseite damit zu illustrieren. Das machte das Buch zwar nicht billig, aber nach meiner Überzeugung seinen Preis wert. Für mich, als bibliophilen Menschen, muss ein Buch nicht nur gut, sondern auch schön sein. Die einmalige Auflage des Buches in der Leinen-Edition begrenzte ich nach vorsichtigen Schätzungen der Absatzmöglichkeiten auf 1.950 Exemplare. Um diese Limitierung auch wirklich zu garantieren, liess ich nach der Produktion die Druckfilme vernichten. Und weil ich das Buchbinden als Handwerkskunst verstehe, waren ebenso zwei handgebundenen und ebenfalls streng limitierte Leder-Editionen in dunkelgrünem Kalbsleder und speziellen Schubern (Plexiglas oder kaschierter Karton) erhältlich. Für mich lässt sich die Liebe zu handgefertigten Büchern und handgefertigten Automobilen nicht schöner kombinieren.

Mit Bob Dover auf der IAA 1999. Foto: David Offord/Ford
Mit Bob Dover auf der IAA 1999. Foto: David Offord/Ford

Am 14.09.99 führte ich das Buch offiziell auf den Markt ein, als ich auf der IAA in Frankfurt das erste Exemplar mit der entsprechenden Nr. 0001/1950 dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Aston Martins, Bob Dover, überreichte - 14 Jahre nachdem ich den silbernen V8 Volante dort fotografiert hatte. In den Wochen nach der Veröffentlichung wurde dem Buch von der Fachpresse (“Ein Meisterwerk!” – Motor Klassik 11/99), aber auch von seiner Leserschaft, großes Lob zuteil – von mir zwar erträumt, in diesem Maße aber nicht erwartet. In nahezu jeder Zeitschrift, die sich mit dem Thema Automobil beschäftigt, wurde mein Buch höchst positiv besprochen. Ein Schweizer Leser schrieb mir sogar, er halte das Buch als “das beste und umfassendste Werk, das je über eine Automarke geschrieben wurde.” 

Leinen-Edition
Leinen-Edition

Leider sorgen exzellente Kritiken nicht zwangsläufig für gute Verkäufe. Auf die Absatzfähigkeit hin war das gesamte Projekt klar durchdacht, berücksichtigt man schon alleine die damals über 4.000 Mitglieder des Aston-Martin-Owners-Club. Diese wurden von mir durch das Club-Magazin über die Veröffentlichung informiert. Bestellungen gingen leider nur sehr verhalten ein. Ursprünglich wollte ich auch nicht über den Buchhandel vertreiben und kalkulierte daher keinen Wiederverkäufernachlass in den Endpreis ein. Irgendwann kamen so viele Bestellungen nur über den Buchhandel, dass ich sie nicht mehr ignorieren konnte und meine Gewinnspanne um den Wiederverkäufernachlass reduzierte. Nach zwei Jahren ging der Absatz schließlich dramatisch zurück. Der Tiefpunkt war der Frühling 2002. Zu diesem Zeitpunkt lagen die monatlichen Lagerkosten für die Bücher schon zu lange zu weit über den Erlösen. In Absprache mit meinen Vater sorgte ich schweren Herzens für Schadensbegrenzung: Für einen Bruchteil der eigentlichen Herstellkosten verramschte ich fast den kompletten Lagerbestand an den Motorbuch-Verlag in Stuttgart, der diese Menge für die Hälfte des bisherigen Ladenpreises binnen zweier Jahre absetzte. Für den halben Preis hätte ich sie auch verkaufen können, aber dies hätte ich wieder bewerben müssen, wofür ich aber kein Geld mehr investieren wollte. So endete diese Unternehmung mit einem bitteren Beigeschmack. Man hatte mit viel Herzblut etwas geschaffen, was von vielen hochgelobt, aber von zu wenigen gekauft wurde.  

 

Und so passt es doch irgendwie wieder zur Historie Aston Martins: Überambitioniert, aber unterfinanziert. Wie wahr!